Prenzlau 18.01.2011 >> Bericht

Der "Stalker von Prenzlau" bleibt ein freier Mann

Alles für die Katz

Nach Informationen des Prenzlauer Anwalts Andreas Brandt ist gestern vor dem Landgericht Neuruppin nach sechs Verhandlungstagen der Versuch der Staatsanwaltschaft gescheitert, seinen Mandanten Dirk S. - den "Stalker von Prenzlau" - in eine psychiatrischen Klinik unterzubringen. Das Gericht entschied, dass die bisherigen Taten Bagatellcharakter hätten und eine dauerhafte Unterbringung des psychisch Kranken 52-Jährigen in eine Klinik nicht rechtfertigten.

Dirk S. wurde Nachstellung, das Verbreiten von Propagandamitteln und Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, Hausfriedensbruch, Beleidigung, üble Nachrede, Verleumdung, Bedrohung, Erpressung, Sachbeschädigung vorgeworfen. Der Beschuldigte soll im Zeitraum vom Januar 2009 bis Januar 2010 in Prenzlau mehrere Personen mit einer Vielzahl von telefonischen, schriftlichen und verbalen Belästigungen bedacht und sie auch bedroht haben. Er soll beabsichtigt haben, sich an einem Paar mit Kind zu rächen, da diese Ansprüche gegen Dirk S. auf Beräumung eines Gebäudes in Prenzlau durchgesetzt hatten. Immer wieder vermischte er bei seinen schriftlichen und verbalen Angriffen rechtsextremistische, sexuelle und gewalttätige Motive.

Aus Sicht des psychiatrischen Sachverständigen Siegmund Dannecker ist Dirk S. aufgrund einer paranoiden Schizophrenie und einer Persönlichkeitsstörung schuldunfähig und kann für die Taten nicht verantwortlich gemacht werden. Deshalb musste das Gericht ihn freisprechen. Für das Gericht ging es deshalb nicht um Strafe, sondern darum, ob die Voraussetzungen für eine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus vorliegen. Die lagen aus Sicht der Strafkammer nicht vor, obwohl der Gutachter feststellte, dass Dirk S. sich nicht zu seiner Krankheit bekennt. Daher sieht er auch keinen Grund, sich behandeln zu lassen. Dabei müsste er laut Gutachter dringend medikamentös eingestellt werden.

Vorgeschichte

Im August 2008 verkaufte der heute 53-jährige Dirk S. sein Haus am Uckersee in Prenzlau an ein junges Paar mit Kind. In dem Grundstückskaufvertrag verpflichtete er sich, das Anwesen spätestens acht Wochen nach Genehmigung des Vertrages durch die Erbengemeinschaft zu räumen und unterwarf sich zusätzlich der sofortigen Zwangsvollstreckung. Da Dirk S. die vertraglich festgelegte Räumungsfrist nicht einhielt, wurde von den neuen Eigentümern ein Gerichtsvollzieher mit der Räumung beauftragt.

Daraufhin startete Dirk S. einen Reihe von Aktionen, die der jungen Familie das Leben zur Hölle machten mit dem Ziel, sie aus „seinem“ Haus zu vertreiben. Vermutlich fühlte er sich von den Käufern übervorteilt.

Ende Januar schlich er sich des nachts auf sein ehemaliges Grundstück und schrieb mit einem Edding - Stift folgenden Text an die Hauseingangstür: „SA nein Danke … Zigeuner Wie du willst .. Piano …Wo Strom? Wann Weg Du?….“. In den darauffolgenden Nächten belieferte Dirk S. die neuen Hausbesitzer mit zahlreichen Briefen in der Absicht, sie in Angst und Schrecken zu versetzen. Dabei waren die Texte teilweise wirr, enthielten aber oft national-sozialistische- und gewalttätige Anspielungen, später auch sexistische.

„Ich lasse am Donnerstag ab 13.00 Uhr die SS direkt entscheiden, was wie und wann und wo weiter geschieht.“ In einem anderen Schreiben heißt es: "Das ist die allerletzte freundliche Aufforderung! an Dich / Euch nicht um Krieg zu Betteln ! … bzw. ich dich nicht mit deinen Waffen schlagen lassen möchte (sprich von Deinen Fachkollegen die à la Dr. Josef Mengele ua. in 2009 ihre Scheußlichkeiten vollbringen)...."

Das dritte Beispiel sind Texte, die auf mehrere Zettel auf dem Grundstück verteilt waren: "Ich vernichte jeden, so wie er es will und sich verdient hat.", „… die Waffen SS gibt es noch, die Legion auch! ... ", „DAS REICH Nr. 4 KOMMT GRUSS Dirk". Parallel gab es eine Serie von mindestens 11 SMS ähnlichen Inhalts auf das Handy der jungen Frau. Ein anderes Mal spielte er rechte Rockmusik auf der Straße vor dem Haus ab und war Böller vor die Einganstür. Am 16. März erreichten die Opfer fünf Briefe gleichzeitig. Einer davon war an die Witwe, dann folgte der Name der jungen Frau, adressiert.

Die neuen Hauseigentümer wehrten sich juristisch. Am 16.03.2009 erließ das Amtsgericht Prenzlau auf eine einstweilige Verfügung gegen Dirk S. Unter Androhung eines Ordnungsgeldes in Höhe von 25.000 Euro bzw. ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten wurde ihm untersagt, den Beiden weiter nachzustellen oder sie zu bedrohen, Kontakt in irgendeiner Form - insbesondere per Anruf, SMS oder per Brief oder Zettel - zu den Zeugen aufzunehmen, sich den Antragstellern bzw. ihrem Grundstück näher als 50 Meter zu nähern.

Erst im November 2009 kam es wieder zu massivem Stalking durch Dirk S. Seine Handlungen wurden immer aggressiver. Er verschloss mit einer Kette das Hoftor, warf Sprengsatzattrappen in den Garten, hängte seine Briefe in der Öffentlichkeit aus und arbeitete mit Graffiti: „Samstag 9.1.2010 private SEXPARTY WASSERPFORTE“, „Dreiloch-stute …“, „Kinder-ficker … raus aus Prenzlau“ war großflächig an einem heute nicht mehr existierenden Gebäude an der Uferpromenade des Unteruckersees zu lesen.

Im Heckfenster seines Mercedes legte ein DIN A4-Blatt ab auf dem zu lesen stand: „Achtung!!/ SS an Bord/ Sie hat erfolgreich gekämpft und gesiegt/ gewonnen und überlebt/ bis heute“. Daneben hat dann der Kopf einer Schaufensterpuppe gelegen, der einen schwarzen Filzhut trug. An dem Hut war gut sichtbar ein kleines Hakenkreuz befestigt. Mit SS kürzte er, so seine Behauptung gegenüber der Polizei, den Namen seiner Katze Sonja Selig ab.

Seine Handlungen wurden Anfang 2010 immer konfuser. Innerhalb von 24 Stunden versetzte er die Polizeiwache am Wochenendhaus der Bundeskanzlerin in Alarm und sorgte für einen Sondereinsatz der beim Landeskriminalamt angesiedelten Spezialisten für die Entschärfung unkonventioneller Spreng- und Brandvorrichtungen (USBV). Zudem wollte er eine Tankstelle in Prenzlau überfallen, konfrontierte die Angestellten mit wirren Forderungen und schockte Kinder und Eltern vor einem Prenzlauer Kindergarten mit einem Küchenmesser, das im Armaturenbrett seines schwarzen Mercedes der SLK-Klasse steckte. Anfang Februar wurde dann sein Prenzlauer Haus angezündet. In den Flammen starb seine Katze Sonja Selig. In zahlreichen Schreiben hatte S. angegeben, dass sie es war, die ihm Anweisungen für sein Handeln gab.

Dirk S. war dann Mitte Februar 2010 mit richterlichem Unterbringungsbefehl von der Polizei gesucht, in Berlin gefunden und in einer psychiatrischen Klinik untergebracht worden. Dort war er medikamentös therapiert worden. Ende Juni hatte dann ein neues Gutachten zu seiner Freilassung geführt.

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