Prenzlau 17.09.2010 >> Bericht

Eltern sollen ebenfalls vor Gericht

Jugendlicher Intensivstraftäter in der Uckermark zu Haft verurteilt

Was macht man mit einem jungen Mann, der sich vor einem halben Jahr wegen 45 der unterschiedlichsten Delikt vor dem Jugendrichter in Prenzlau zu verantworten hatte, der eine Haftstrafe zur Bewährung erhielt und der in den letzten Wochen erneut vor dem Richter stand? Diesmal, weil er gemeinsam mit einem Kumpel die Handtasche einer alten Dame geraubt haben sollte.

Der 17-jährige Kevin S. hat es in dem kleinen Ort Milmersdorf in der Nähe der uckermärkischen Kurstadt Templin zur traurigen Berühmtheit gebracht: Graffiti, Ladendiebstähle, versuchter Auto- und Kraddiebstahl und serienweise Garageneinbrüche haben die Polizisten der zuständigen Wache in Templin auf Trab gehalten. Kevin S. wurde sogar Thema im Gemeinderat. Im Juni diesen Jahres waren Oberstaatsanwalt Jürgen Schiermeyer aus Neuruppin und Wachenleiter Harald Löschke extra nach Milmersdorf gekommen, um Bürgern und Gemeindevertretern Rede und Antwort zu stehen.

Bürgermeister Klaus-Christian Arndt hatte die Gäste in die Sitzung eingeladen, um gemeinsam nach Lösungen zu suchen. Er wollte nicht so lange zuschauen bis die Jugendlichen Straftäter werden und im Gefängnis landen. Er wollte vorher etwas tun.

Allerdings sind die Möglichkeiten der Gemeinde beschränkt. Man unterstütze Vereine und Feuerwehr. Aber wenn die Jugendlichen die Angebote nicht annähmen, helfe das auch nicht weiter. Andere forderten schnellere Sanktionen und stellten die Frage nach der Mitverantwortung der Eltern.

Während Harald Löschke mit einer hundertprozentigen Aufklärungsquote in Milmersdorf glänzen konnte, sah sich Oberstaatsanwalt mit der Behauptung konfrontiert, dass man sich nie um die Opfer kümmere und die Täter ungeschoren davon kommen ließ. Schiermeyer konnte da nur widersprechen und auf das Urteil gegen Kevin S. vom Februar verweisen.

Was allerdings die kriminellen Aktivitäten der Jugendlichen nur knapp einen Monat unterband. Bereits Ende März kam es dann gemeinsam mit einem Kumpel zu einem Handtaschenraub. Für Kevin S. bedeutete das Untersuchungshaft, die allerdings gegen Auflagen ausgesetzt wurde. Regelmäßig meldete er sich danach zwei Mal wöchentlich auf dem Polizeirevier bis es Ende August der Prozess begann. Dass sich in dieser Zeit nicht noch weitere Straftaten angesammelt haben, kann allerdings nicht ausgeschlossen werden.

Mittlerweile ist das Urteil gegen einen 17-jährigen Intensivstraftäter rechtskräftig geworden. Kevin S. wurde am in der vergangen Woche wegen Diebstahls und zweier Graffitis unter Einbeziehung der Verurteilung aus dem Februar 2010 zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und drei Monaten ohne Bewährung verurteilt. Sein Kumpel wurde verwarnt und muss 70 Sozialstunden ableisten. Der schwerer wiegende Vorwurf des Raubes hatte sich während der beiden Verhandlungstage nicht bestätigt.

Bürgermeister Arndts Gefühle über die Haftstrafe für Kevin S. sind zwiespältig. Auf der einen Seite ist er froh, dass die Justiz jetzt endlich Strenge gezeigt hat. Auf der anderen Seite wäre es ihm lieber gewesen, wenn es nie so weit gekommen wäre, wenn Eltern, Erzieher, Gemeinde früher auf den Jungen hätten Einfluss nehmen können.

Das Jugendamt des Landkreises Uckermark äußert sich nur sehr zurückhaltend zu konkreten Fällen. Aus rechtlichen Gründen, wie es dort heißt. Immerhin bestätigt die Leiterin des Jugendamtes, Britta Gilgen, dass es seit längerem und wiederholt die unterschiedlichsten Hilfsangebote für Kevin S. gegeben habe. „Diese wurden von den Eltern beantragt und vom Jugendamt gewährt. Leider wurden die Maßnahmen von dem Jugendlichen abgelehnt oder abgebrochen“, so Britta Gilgen weiter. Sie bestätigt, dass es noch weitere jugendliche Intensivstraftäter in der Uckermark gibt. Das Jugendamt arbeite da sehr eng mit der Polizei zusammen, ergänzt sie, dadurch habe das Amt die Möglichkeit, den Jugendlichen und deren Erziehungsberechtigten individuelle Hilfsangebote zu unterbreiten. Das scheint zumindest bei Kevins S. alles nicht gegriffen zu haben.

Eltern sollen zur Verantwortung gezogen werden

Dass die Eltern bei der Erziehung des 17-Jährigen versagt haben, wurde nicht nur von Einwohnern in der Milmersdorfer Gemeinderatssitzung geäußert. Dieser Meinung sind Polizei und Staatsanwaltschaft ebenfalls. Sie haben ein Ermittlungsverfahren wegen Verletzung der Fürsorge- oder Erziehungspflicht eingeleitet und letztendlich auch Anklage vor dem Amtsgericht Prenzlau erhoben. Die zuständige Richterin hat das Hauptverfahren allerdings nicht eröffnet. Dagegen habe die Staatsanwaltschaft sofortige Beschwerde beim Landgericht Neuruppin eingelegt, teilte Oberstaatsanwalt Jürgen Schiermeyer auf Nachfrage mit. Man müsse nun abwarten wie die Richter in Neuruppin entscheiden.

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