Brüssow 29.04.2010 >> Bericht

Riesige Solarkraftwerke auf Ackerflächen

Investor drängt Gemeinde zu schnellen Entscheidungen

Nördlich und südlich von Grimme, einem Dorf im nordöstlichsten Zipfel der Uckermark, das zur Stadt Brüssow gehört, sollen zwei riesige Solarkraftwerke entstehen. Während die Stadtverordneten von Brüssow vor zwei Wochen die Entscheidung über die Aufstellung eines Bebauungsplans verschoben hatten und erst eine Einwohnerversammlung einberufen wollten, soll der Gemeinderat von Berkholz (MV) sich bereits für die Aufstellung eines B-Plans entschieden haben.

In beiden Fällen handelt es sich um bei dem Investor um die nordfränkische Firma Beck Energy, und in beiden Fällen rennt dem Investor die Zeit davon. Der Bundestag wird im Mai beschließen, dass die Einspeisevergütung für Photovoltaik-Freiflächenanlagen ab 1. Juli 2010 um 15 Prozent abgesenkt wird. Anlagen, die auf Ackerland stehen, sollen gar keine Förderung mehr erhalten. Beck Energy spielt auf Übergangsfristen und drängt die Gemeindevertreter auf Entscheidungen über die Zulassung der Bebauungspläne noch vor dem 1. Juli. Dem steht allerdings der Kompromiss entgegen, den die Regierungsparteien und die Länder gefunden haben. Demnach bleiben Anlagen von der Absenkung verschont, wenn sie bis zum 25. März 2010 eine Baugenehmigung hatten und bis Jahresende am Netz sind. Anders als bei Windkraftanlagen gilt bei PV-Freiflächenanlagen kein privilegiertes Bauen. Hier liegen die Entscheidungen allein bei den Gemeindevertretern.

Am Dienstagabend fand in Brüssow die vor zwei Wochen Einwohnerversammlung zum Thema Solarkraftwerk Grimme statt. Auf einem Gebiet von 130 Hektar südlich des Dorfes plante Beck Energy auf Ackerfläche und Brachland eine Photovoltaik Freiflächenanlage mit einer Nennleistung von etwa 17 Megawatt. Was den zahlreich zur Versammlung erschienen Einwohnern vorenthalten wurde, war die Information, dass nördlich von Grimme in der Nachbargemeinde Bergholz (MV) ebenfalls ein Solarkraftwerk von Beck Energy entstehen soll. Dort soll der Gemeinderat der Aufstellung eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans bereits zugestimmt haben. Der Bürgermeister von Bergholz wollte sich dazu allerdings gegenüber der Presse nicht äußern. "Dazu sag ich nichts!", dann legte er auf. Im Amt Löcknitz waren die zuständigen Sachbearbeiter krank. Für den Investor ist eine derartige Planung sinnvoll, weil die Kosten für Kabeltrasse ans Umspannwerk ins nahe gelegene Löcknitz dadurch erheblich gesenkt werden können.

Kaum hatte der für Beck Energy im Uecker-Randowkreis und in der Uckermark agierende Volker Lorenzen das Wort ergriffen, präsentierte er dem gar nicht überraschten Publikum einen neuen Plan. Man habe die Kritik aus der Stadtverordnetensitzung aufgegriffen und die zu umzäunende Fläche erheblich reduziert. Man plane jetzt nur auf 80 Hektar. Dieser Taschenspielertrick konnte niemanden im gut gefüllten Saal überzeugen. Die von Beck Energy für den Bau von Solaranlagen verwendeten Dünnschichtmodule brauchen etwas eine Fläche von 5 Hektar um ein Megawatt Strom zu erzeugen. Das ergäbe dann bei 80 Hektar in etwa die von Volker Lorenzen vor zwei Wochen genannten 16,7 Megawatt.

Die Investitionssumme soll laut Volker Lorenzen 40 Millionen Euro betragen. Man rechne bei den über 1000 Sonnenstunden in der nordöstlichen Uckermark mit einem jährlichen Umsatz von 5 Millionen Euro. Eine Zahl, die nicht ganz abwegig klingt. Allerdings völlig aus der Luft gegriffen erscheint sein Behauptung, dass bereits nach drei Jahren Gewerbesteuer gezahlt werden könne. Als Summe nannte er 100.000 Euro jährlich. In Informationspapieren der Solarbranche wird da ein ganz anderer Zeitrahmen gesetzt. Frühestens nach 7 bis 10 Jahren, heißt es da.

Einwohner wollten wissen, ob denn überhaupt schon mit den Besitzern der zu bebauenden Flurstücke gesprochen worden sei, und ob es denn überhaupt schon Zusagen gäbe. Hier wich Lorenzen aus. Er wollte keine Namen nennen. Er hätte aber auch nur einen Namen nennen können, den eines Landbesitzers, auf dessen Grundstücken auch die zweite, nördliche Anlage entstehen soll.

Es meldete sich ein Grundstücksbesitzer zu Wort, dessen Flurstücke in die Planung einbezogen wurden, ohne dass bisher mit ihm geredet wurde. Der waren sauer. Etwa weitere 25 Hektar kann Beck Energy aus ihrer Planung streichen.

Unglaubwürdig machte sich der zu Lorenzens Unterstützung mit angereiste Beck Energy Planer Ulrich Mertens. Er sprach dreist von 150 Hektar Land, das man auf 80 Hektar reduziert habe und behauptete wider besseren Wissens, dass man auf dieser Fläche 30 Megawatt erwirtschaften könne. Auf die Frage, ob man denn in Deutschland eine ähnlich groß Anlage gebaut habe, antwortete er mit ja. Auf die Nachfrage „wo denn?“ entstand eine peinliche Pause. Ihm fiel dann glücklich die Anlage in Reckahn (Potsdam-Mittelmark) ein, die Beck Energy 2010 ans Netz bringen will. Allerdings wird die Anlage auf einem brach liegendem Gewerbegebiet gebaut.

Auf die Frage nach der Änderung des Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) zum 1. Juli 2010 reagierte Ulrich Mertens allergisch. Da sei noch nichts im Bundestag beschlossen. Dass für Freiflächenanlagen auf Ackerland die Förderung wegfallen wird, schob er einfach beiseite. Man gehe davon aus, dass man zum 1. Oktober 2010 an Netz gehen könne. Das würde bedeuten, dass innerhalb von zwei Monaten die Aufstellung eines Bebauungsplans durchgezogen werden soll. Die Anlage muss ja schließlich auch noch gebaut werden. Seriöse Planung sieht anders aus.

Am 11. Mai werden nun die Stadtverordneten erneut über dieses Projekt beraten und dann abstimmen. Vielleicht folgen die Stadtverordneten bis dahin noch dem Ratschlag von Einwohnern, sich ein solches Freiflächen-Solarkraftwerk vorher einmal anzuschauen. (ph)

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