Prenzlau 27.02.2010 >> Bericht

Geldstrafe für rechte Gewalt in Wallmow

Ein Sommernachtmahr und seine Folgen

Am Mittwoch dieser Woche wurden vor dem Jugendrichter des Amtsgerichtes Prenzlau der 20-jährige Patrick G. und der 19-jährige Martin W. wegen Körperverletzung und gemeinschaftlich begangener Nötigung zu einer Geldstrafe von 70 beziehungsweise 40 Tagessätzen von je 10 Euro verurteilt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

"Habt ihr was gegen Juden?" Diese schlichte Frage des 15-jährigen Mark U. an eine Klicke von Heranwachsenden, die sich untereinander als Juden titulierten – "eh du kleiner hässlicher Jude" - oder abfällig gegenüber Juden äußerten, brachte letzten Sommer Bewegung ins uckermärkische Wallmow.

Erst einmal bewegte sich die Zunge von Patrick G., Auszubildender auf dem örtlichen Biobauernhof: "Willst du Stress mit mir?!" Danach dessen rechte Hand, deren Ballen gegen die Schläfe von Mark knallte. Dann Anne, die dazwischen ging, um ihren Verlobten Patrick zu stoppen. Zu schlechter Letzt Mark, der davonradelte und froh war, dass er von dem körperlich weit überlegenen Patrick G. nur einen Schlag mitbekommen hatte. Soviel zur Zivilcourage an diesem 28. Juni 2009.

Patrick G. und Anne H. hatten später gegenüber der Polizei behauptet, Mark U. hätte mit den Worten "Du Nazischwein!" provoziert. Mark hatte das immer bestritten. Vor Gericht erklärte die 21-jährige Julia R., damals ebenfalls zur Klicke gehörend, diese Worte seien nicht gefallen. Die mittlerweile Ex-Verlobte konnte sich nicht mehr erinnern. Nur der Angeklagte blieb bei seiner Behauptung.

Der darauffolgende Abend brachte einen Hausbesuch bei Familie U. nachdem man zuvor in der Klicke ergänzt um den 18-jährigen Schüler Martin W. noch einmal das Geschehen des vorherigen Abends beredet hatte. Martin W., Wortführer im nun folgenden Überfall, erklärte, er habe mit Mark über die Beschimpfung reden wollen, die ihn sehr aufgeregt habe.

Leider wurde bei den Zeugenanhörungen vor Gericht nicht genau geklärt, was denn nun im Vorfeld des Hausbesuches in der Klicke wirklich besprochen worden war. Die Worte "Du Nazischwein!" waren ja gar nicht gefallen. Jedenfalls gab es aus Sicht der Täter, was zu klären, was immer das auch war. Während die Einen zum Dorfkrug gingen, besuchten der über die nicht gefallenen Worte empörte Martin W. und Patrick G. ihr Opfer.

Sie betraten das Grundstück, öffneten die Haustür. Mit den tröstlichen Worten "Wir werden dir nichts tun", lockten sie Mark ins Untergeschoss des Hauses. Begleitet von Patricks Klaviergeklimper - der sich scheinbar gleich wie zu Hause fühlte - entflammte dort ein Disput zwischen Martin und Mark, dessen Inhalt auch die Gerichtsverhandlung nicht ans Licht brachte, der aber von Patrick mit ein paar heftigen Faustschlägen gegen Mark erstickt wurde. Einen Grund dafür wollte Patrick vor Gericht nicht nennen. Der zu Boden gegangene Mark bekam noch ein paar Schläge und Fußtritte hinterher. Danach zwangen die beiden Angreifer Mark, sie zum Dorfkrug zu begleiten. Rechts und links flankiert stolperte Mark über Wallmows Hauptstraße. Mark sagte aus, er hätte solche Angst gehabt, das er auch so mitgegangen wäre. Auf halbem Weg bekam er von Martin noch eins in die Fresse. Diese Szene wurde von Marks Mutter beobachtet, die sich bei Freunden befand. Sie und eine weitere Frau jagten den Dreien hinterher und befreiten Mark von seinen Peinigern.

Gegenüber der Polizei sagte Martin, dass er von Mark als Nazi beschimpft worden wäre. Vor Gericht zog er seine Behauptung zurück. Er wollte oder er konnte keinen Grund für diesen Schlag angeben.

Rechte Szene Wallmow

Der Richter befragte beide Angeklagten nach ihrer Zugehörigkeit zur rechten Szene. Beide verneinten das. Patrick G. gab dann auf intensivere Nachfrage zu, dass er etwas gegen Ausländer habe, die "in unser Land kämen und …". Der Rest wurde durch undeutliche Artikulation verschluckt. Martin W. bekannte sich zu rechtem Gedankengut. Beide beschrieben, dass es in Wallmow zwei Gruppen von Jugendlichen gäbe, zwischen denen auch Spannungen herrschten.

Dass diese Spannungen mit den Begriffen „rechts“ und „links“ nur ansatzweise beschrieben sind, darauf deutet das Verhalten der Mutter eines Angeklagten im Gerichtssaal hin. Sie schickte giftige Blicke in Richtung der im Zuhörersaal befindlichen "Opferpartei" und zischelte den vermeintlichen Szene-Frauen bissige Worte im Vorbeigehen zu.

Wallmow hat eine alternative Grundschule, Wallmow hat kulturelle Angebote, Wallmow hat Zuzug, Wallmow hat eine hohe Geburtenrate. Wallmow besitzt große Attraktivität im gesamten Amtsbereich Brüssow zu dem die Gemeinde Carmzow-Wallmow gehört. Es gibt Menschen in Wallmow, die stören diese vielen Fremden. Als der Verein Zuckermark e.V. einmal in der Stadtverordnetenversammlung von Brüssow um geringfügige finanzielle Unterstützung für seine kultrellen Aktivitäten bat, brachte es dort ein Lautsprecher der Sozialdemokraten auf dem Punkt: „Warum gebt ihr das Geld denen und nicht unseren Leuten?“

Was Patrick G. dem Richter vorsichtshalber verschwieg, war zum Beispiel der Besuch eines Rechtsrockkonzertes gemeinsam mit zwei bekannten Rechtsextremisten aus dem nahegelegenen Wollin im November letzten Jahres in Bismark. Und auch den Streit um Jugendklub und das laute Abspielen von Rechtsrock muss man dem Gericht ja nicht auf die Nase binden.

Trotzdem sah das Gericht in der politischen Haltung der beiden Angeklagten eine Motivation für die Taten. Ein Grund auch für den Richter, dem Vorschlag der Jugendgerichtshilfe zu widersprechen, die Beiden nach Jugendstrafrecht zu verurteilen. Die Jugendgerichtshilfe hatte versucht zu begründen, das Martin W. noch nicht die nötige Reife hätte, um nach Erwachsenenstrafrecht verurteilt zu werden. Bei Patrick G. wollte sie zwar die nötige Reife erkannt haben, betonte seine Zugehörigkeit zur Freiwilligen Feuerwehr Wallmows, sah aber in dem Tatablauf etwas Jugendtypisches. Wäre sie mit ihrer Argumentation durchgedrungen, könnte man viele rechtsgerichtete Straftaten als jugendtypisch abtun.

Bewegung in Wallmow

Nach dem Überfall kam es im letzten Jahr in Wallmow zu einer Demonstration von etwa 60 Einwohnern. Den beiden Schlägern wurde klar gemacht, man will in Wallmow keine Gewalt. Das hat die Beiden beeindruckt. Sie sprachen auch noch vor Gericht davon. Martin W. war per SMS bedroht worden. Der Absender saß allerdings in Berlin und nicht vor Ort.

Bis zum Jahresende wurden im Dorfkrug drei Filmvorführungen zum Thema Rechtsextremismus und Gewalt mit anschließender Diskussion vom ortsansässigen Zuckermark e.V. organisiert. Rechtsextremisten aus Prenzlau und Wollin besuchten die Veranstaltung, beteiligten sich aber nicht an den Diskussionen. Auch die rechte Klicke im Dorf traute sich nur bis zur Schankstube, nicht in den Saal.

Es gab mehrere Gesprächsrunden mit Bürgern, dem Bürgermeister von Carmzow-Wallmow und der Ortsvorsteherin, und man holte sich Rat beim Mobilen Beratungsteam aus Angermünde. Ziel dieser Gespräche war immer Aufklärung, Deeskalation und Hinarbeiten auf ein vernünftiges Miteinander im Dorf.

Nachtrag zum Strafmaß

Am 26.02.2010 war ein Bericht über diesen Prozess in der Prenzlauer Zeitung zu lesen. Dort stand folgender Satz: "Die Staatsanwältin sah die gemeinschaftliche Körperverletzung und Nötigung als Tatbestand als erfüllt an." Das stimmt so nicht. Hätte es eine gemeinschaftliche Körperverletzung gegeben, hätten die beiden Täter wegen gefährlicher Körperverletzung (§ 225 StGB) eine Haftstrafe erhalten, die zur Bewährung ausgesetzt worden wäre.

Da sowohl Staatsanwaltschaft als auch das Gericht jede Körperverletzung als einzelne abgeschlossene Handlung werteten, war nur die Verhängung einer Geldstrafe möglich. Es gab keine Erkenntnis darüber, dass die beiden Täter sich im Vorfeld des Hausbesuches über eine Gewalttat abgesprochen hätten. Zugunsten der Angeklagten sprach, dass sie Ersttäter und im Kern geständig waren.

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