Hammelstall 01.11.2006 >> Kritik

Leben im Kraftwerk

Bemerkungen zum Artikel „Der Herr der Lüfte“; Tagesspiegel vom 30.10.2006.

Gratulation an Jörg Müller. Dem Windjunker und Vorstandsvorsitzenden von Enertrag ist mal wieder ein Propagandacoup ersten Ranges gelungen. Sein Opfer diesmal, Daniela Martens, Journalistin beim Berliner Tagesspiegel und dementsprechend zahlreiche LeserInnen dieses Blattes.

„Über den Äckern hängt eine Hochspannungsleitung. Eine steife Brise weht über das Land. Wind und Getreide gibt es hier reichlich, im äußersten Nordosten Brandenburgs. Sonst ist nicht viel zu sehen.“ Hübsch umschrieben für das Windjunker-Schlagwort „ausgeräumte Landschaften“. Ein bisschen kurzsichtig die Gute. Als Großstadtbewohnerin sollte sie die Weite einer Landschaft zu schätzen wissen. Klar, sie kommt spät Jahr und kann auch wahrscheinlich Raps- und Weizen- nicht von Roggen- und Maisfeldern unterscheiden.

„Auch nicht in Dauerthal. In diesem kleinen Ort scheint die Zeit stehengeblieben zu sein. Doch dort, wo der Ort endet, beginnt plötzlich die Zukunft.“ Da Daniela Martens wusste, wen sie besucht ist das „plötzlich“ doch wohl reichlich übertrieben. Außerdem zäumt sie für ihren Wortwitz mit der „Zukunft“ das Pferd – den Ort - von hinten auf. Niemand wird sich von Berlin kommend von Schenkenberg übers (Wind)Feld nach Dauerthal schleichen. Es sei denn, er hat sich verfahren. Dementsprechend endet natürlich die Zukunft kurz nach dem Überqueren der Autobahn knapp hinterm Ortseingang.

„Hier entsteht ein modernes Bürohaus nach neuesten ökologischen Standards: die neue Zentrale des Windkraft-Unternehmens Enertrag. Sie ist fast fertig“ Wenn diese ökologischen Standards beinhalten, dass die Enertrag versucht, widerspenstige Gemeinderäte durch die Vergabe bzw. Nichtvergabe von Aufträgen zu diesem Bau zu disziplinieren, dann kann man auf eine derartige Standards gut verzichten. Zitat aus einem Schreiben der „Enertrag Gut Dauerthal GbR“: „Die negative Einstellung der Gemeinde Penkun zur Nutzung und Erzeugung der erneuerbarer Energie aus Windkraft hat uns dazu bewegt, Firmen, die ihren Sitz in der Gemeinde Penkun haben, zukünftig von Auftragsvergaben auszuschließen.“

„70 Menschen arbeiten in dem Gebäude. Sie sorgen dafür, dass aus Wind, Roggen und Mais Strom wird.“ Wind mag ja stimmen, aber Roggen und Mais, das ist wohl noch Zukunftsmusik.

„Das Herzstück der Firma ist unscheinbar. Ein kleiner Raum im Keller und darin vier Computer in grauen Metallschränken: die Zentrale des „Kraftwerks Uckermark“. Man sieht ihr nicht an, dass hier 140 Windräder im größten Windpark der Region geschaltet werden.“ Das hat Daniela Martens gut beschrieben. Es ist der Enertrag gelungen, den äußerste Nordosten der Uckermark mit Windrädern zu verbauen. Aus den zahlreichen Windmastfabriken ein einziges Kraftwerk zu machen ist die neueste Sprachschöpfung der Windjunker. Damit sind wir hier bundesweit wohl die einzigen Menschen, die nicht neben sondern in einem Kraftwerk leben.

„200 Megawatt Strom speist das Kraftwerk in die Hochspannungsleitung über dem Acker ein.“ 200 Megawatt, das klingt irre. Wenn man davon ausgeht, dass der Ausnutzungsgrad einer Windkraftanlage in Brandenburg etwa bei 21 Prozent liegt, bedeuten 200 Megawatt rund 1000 Megawatt installierte Leistung. Bei 140 Windrädern heißt das, dass ein Windrad im Durchschnitt eine installierte Leistung von 7,14 Megawatt haben müsste. Ein derartiges Windrad hat die Welt noch nicht gesehen. Da hat die gute Daniela Martens wohl etwas nicht genau verstanden oder Jörg Müller hat es nicht präzise genug formuliert. Eher ist es so, dass die 200 Megawatt sich auf die in der Uckermark installierte Nennleistung beziehen. Das bedeutet bei 140 Windrädern 1,44 Megawatt durchschnittlich pro Windrad. Bei einem Ausnutzungsgrad von 21 Prozent schrumpfen die 200 auf 44 MegawattStunden zusammen.

„Auch auf ein anderes Argument der Windkraft-Gegner hat er eine Antwort gefunden. Um Windstillen zu überbrücken, wird Enertrag in Kürze Biomasse-Energie nutzen. Die Firma baut gerade eine Anlage in Kleisthöhe, nicht weit entfernt von Dauerthal. „Etwa zehn Prozent unseres Stroms wird demnächst so hergestellt.“ Die Anlage arbeitet mit Roggen und Mais. „Was auf dem großen Acker zwischen Pasewalk und Prenzlau eben so wächst“, sagt Müller.“ Interessant, dass die Windmastfabrik-Gegner die Windjunker vor sich hertreiben und sie auf innovative Gedanken bringen. 10 Prozent, das bedeutet 35000 MegawattStunden im Jahr will die Enertrag an Strom aus Biomasse liefern. Dafür bräuchte jährlich die Roggenernte von 30 Quadratkilometern. Das ist weit mehr als Alles, was auf dem großen Acker zwischen Pasewalk und Prenzlau so wächst.

„Er hat für das „Kraftwerk Uckermark“ große Pläne. Schon 2009 soll es 500 Megawatt Strom liefern.“ Auch bei dieser Aussage hat Daniela Martens den Unterschied zwischen installierter Nennleistung und produziertem Strom nicht realisiert. Außerdem stehen die Pläne von Jörg Müller im krassen Widerspruch zu den Vorstellungen der meisten Politiker des Uckermärkischen Kreistages. Dort haben nämlich gerade die Kreistagsfraktionen von CDU, SPD, FDP, Linkspartei und Rettet die Uckermark einem gemeinsamen Antrag eingebracht, der einer weiteren Ausweisung von Windeignungsgebieten in der Uckermark einen Riegel vorschieben soll. (peter huth)

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