Wallmow, 28.05.2006 >> Satire

Saubere Energie, schmutzige Hände.

Eine Provinzposse

Nehmen wir ein paar findige Leute, die, getrieben von Idealen, die Stadt verliessen, um auf dem Lande, inmitten einer wunderschönen Landschaft, ihre Ideen für die eigene Zukunft umzusetzen. Und nehmen wir einfach an, dass anfänglich wirklich der Wille bestand, einen Beitrag für den Umweltschutz, für eine Welt ohne Atomkraft, „Blut für Öl“ und dergleichen zu leisten. Nehmen wir einfach einmal an, dass das so stimmt. Eine saubere Sache.

Ich sehe sie noch heute vor mir, wie sie den anderen Neuuckermärkern beim Treffen des „Carmzower Kreises“ erklärten, wie wichtig eine alternative Stromversorgung und wie gross die Kraft des Windes sei. Schon damals hätte man die leichte Verbissenheit in den Augen eines Verfechters der Windenergie bemerken können.Aber man ist ja tolerant.

Das alles ist jetzt über 10 Jahre her. Geändert hat sich viel. Dem Wind-Müller aus Nechlin bescherte die Windkraft neben anderen Schmäckerchen einen 500 Quadratmeter grossen Schwimmteich im eigenen Garten, manchem Gemeindevertreter einen warmen Regen in der Gemeindekasse, manchem Bauern viel Geld für verpachtetes „Ackerland für Windspargelland“, einem anderen Uckermärker aber eher „Nasse“, weil sein Häuschen plötzlich unverkäuflich ist, da es zufälligerweise in der Nähe eines neuerrichteten Windparkes steht. Die Zeiten ändern sich eben. Geblieben ist die Energie. Im Physikunterricht haben wir gelernt, dass sich Energieformen ändern können: aus potentieller Energie wird kinetische, aus magnetischer wird elektrische Energie. Im Staatsbürgerkundeunterricht (Pardon: Fach Politische Bildung) dagegen haben wir staunend eine andere Form der Energie kennengelernt: wirtschaftliche Macht strebt zu politischer Macht, getrieben von der Kraft des geschäftlichen Interesses, einer mächtigen Energie, die schon ganze Kontinente umgestaltet und verwüstet hat. Und jetzt wird das uralte Schauspiel von friss oder stirb direkt vor unseren staunenden Augen, auf der sonst so ruhigen uckermärkischen Bühne gespielt, allerdings von einer Laienspielertruppe. Also Bühne frei für das Schurkenstück in fünf Akten „Vom Winde verweht“.

Hauptdarsteller ist ein wirtschaftlich expandierendes Unternehmen im Bereich der regenerativen Energie nebst Anwälten, Gutachtern und Pressesprechern sowie diverse Komparsen wie Amtsdirektoren und Gemeindevertreter und einigen anderen Nebendarstellern in wechselnden Rollen. Schauplatz ist nicht, wie der nachfolgende Inhalt vermuten liesse, eine aufstrebende Stadt in Süditalien, wo ja bekanntlich die Mafia den Ton angibt, sondern ein eher ruhiges Plätzchen in der Uckermark, z. B. Güstow, Lübbenow oder Brüssow, doch das ist eher nebensächlich. Das Stück könnte überall spielen, wo der Wind weht.

Der erste Akt: „Zuckerbrot und Peitsche“. Gezeigt wird, wie die Windkraftfirmen mit Hilfe von Gestattungsverträgen den Amtsdirektoren und Gemeindevertretern schmackhaft macht, den Plänen zur Schaffung von Windparks zuzustimmen. Im Gegenzug werden Nebenverträge abgeschlossen, mit deren Hilfe das Gemeindesäckel aufgebessert werden soll. Was ist auch dagegen zu sagen, wenn mit Geldern, ohne eigene Gegenleistung, ein neues Feuerwehrhäuschen gebaut wird oder Schäden am Kindergarten repariert werden können. Nötig ist nur eine Unterschrift unter die Pläne der Windkraftfirmen und ein bisschen Druck auf die eigenen Gemeindevertreter. Nebenbei gibt es als Sahnehäubchen hier noch etwas Geld für ein Dorffest, dort etwas Geld für ein Reitturnier. Soweit das Zuckerbrot. Die Peitsche bekommen die zu spüren, die sich den Bestrebungen der Wirtschaft entgegenstellen, Geld zu verdienen und Arbeitsplätze zu schaffen, vor allem in einer strukturschwachen Gegend. Ausgerüstet mit den nötigen Hilfsmitteln wie wirtschaftlicher Macht, dem politischen Willen von höchster Stelle, sprich den erforderlichen Gesetzen nebst Anwälten und Helfershelfern, wird im ersten Akt gezeigt, dass sich die selbsternannten Windminister ein Imperium geschaffen haben, in dem sie sich unverwundbar fühlen. Störenfriede wie Bürgerinitiativen werden abgemahnt oder mit Prozessen überzogen, Gemeindevertretern wird mit Regress gedroht, wenn sie sich nicht den Plänen der Windfirmen beugen.

Derzeit wird der zweite Akt des Stückes gezeigt, schludrig geschrieben, schlecht gespielt. Es geht wieder um Geld, worum sonst. Und es geht diesmal etwas unverblümter zu, denn der Verfall der Sitten hat sich beschleunigt. Ausserdem hat die Öffentlichkeit, das Publikum, bisher noch nicht aufgemuckt, ausser den wenigen Unverdrossenen, sprich unverbesserlichen Kritikern der Windkraftlobby (aber die werden ja sowieso alle von der Atomlobby bezahlt, oder?!). Der Titel dieses Aktes heisst „Wes` Brot ich ess, des` Lied ich sing“.

Bekanntlich gibt es immer verschiedene Wege zum Ziel, den direkten, geradlinigen, und den verschlungenen, längeren, der für den Nichteingeweihten schwer zu erkennen ist. Das gilt auch für wirtschaftliche Ziele. Manchmal wird mit etwas Geld der Wagen der Demokratie geschmiert, damit er besser über die Unebenheiten hinwegfährt, die andere Unternehmer auf den Weg gerollt haben, denn alle sind ausgezogen, das Glück, d. h. das Geld zu machen. Aber so plump, wenn Gemeindevertretern Geld in die Hand gedrückt wird, damit sie an der richtigen Stelle ihre Hand heben, hat die Angelegenheit einen anrüchigen Anschein, nennt sich Korruption und ist dummerweise strafbar.

Einen besseren Weg hat jetzt eine ansässige Windkraftfirma gefunden. Nach dem etwas abgewandelten Motto: „Jedes Volk hat die Regierung verdient, die es gewählt hat“, wird jetzt einer Penkuner Baufirma ein sicher geglaubter Auftrag entzogen, weil sich die Penkuner Stadtverordneten gegen einen Brüssower Windpark stellen. Sollen die doch sehen, wo sie bleiben. Wer nicht mit uns ist, ist gegen uns. So einfach funktioniert Demokratie. Jeder tut, was gut für einen ist. Man könnte es aber auch Erpressung nennen. Aber wer nimmt es schon so genau.

Am dritten Akt des Schauspiels wird schon geprobt. Er heisst: „Geld zurück, oder es knallt“. Jetzt wird es kompliziert, denn man muss den ersten Akt verstanden haben. Es geht um die oben erwähnten Nebenverträge. Jetzt hat sich das Auge des Staates auf diese Gestattungsverträge geheftetet, denn, so will es das Gesetz, die Leistung der einen Seite soll nur gegen Leistung der anderen Seite vergelten werden, oder es ist ... schon wieder dieses schlimme Wort Korruption. Mittlerweile sickert durch, was auch die Windfirmen bisher wussten, aber ihren Schäfchen in den Gemeindevertetungen nicht sagten, dass nämlich diese Zahlungen nur in einem unmittelbaren, direkten Zusammenhang stehen dürfen. Es darf zum Beispiel ein durch die Baufirmen beim Transport der tonnenschweren Windmasten aufgetretener Strassenschaden mit diesem Geld repariert werden, nicht aber Schäden an einem Kindergarten, es sei denn, er war im Wege. Nun kann angenommen werden, dass, falls ein Gericht diese Verträge für nichtig erklären würde, durchaus der Fall eintreten könne, dass die Windfirmen bereits gezahlte Gelder zurückfordern werden. Das könnte mancher Gemeinde einen Scherbenhaufen einbringen, wo man blühende Landschaften erwartete. Aber man will ja schliesslich nicht ungesetzlich vorgehen und sich dem Vorwurf der (schon wieder) Korruption aussetzen.Wer spekulieren will, der möge es tun, ob die Windkraftfirmen bewusst Verträge abgeschlossen haben, deren Erfüllung von Anfang an zweifelhaft war. Ein Schelm ist, wer Arges dabei denkt. Am Ende ist der Dumme natürlich der Bürger, der die Windparks vor Augen und Ohren hat und die leere Gemeindekasse in der Hand hält.

Am vierten Akt wird derzeit geschrieben: „Rette sich, wer kann“. Es kann vermutet werden, dass die Akteure versuchen werden, ihre Rollen zu tauschen und sich gegenseitig den Schwarzen Peter zuzuschieben, weil die Suppe angebrannt ist, und keiner sie auslöffeln will, da sie immer heisser wird. Geldgeber werden zu Fordernden, Wissende zu Unwissenden. Jeder wird seine Unschuld beteuern, und alle wollten ja nur das Beste, der eine für seinen Gewinn, der andere für seine Gemeinde.

Vom fünften und letzten Akt gibt es bisher nur den Arbeitstitel: “Schuld und Sühne“. Unklar ist, ob sich dafür Akteure gewinnen lassen, denn der Gewinn steht noch nicht fest. Am Ende werden alle verloren haben: die sogenannte saubere Energie ihre Reinheit, die Gemeindevertreter ihre Unschuld, und die Bürger ihren Glauben an die Demokratie. Aber was macht das schon. Auf der Titanic steigt das nächste Fest, und vom schwimmenden Eisberg ist immer nur ein Siebtel sichtbar. (peter michaelis)

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