Hammelstall, 18.November 2005 >> Kritik

Wahrnehmung, Realität und Schlüsselerlebnisse

Bemerkungen zum Bericht "Windfeld „Wolfsmoor“ genehmigt“; Prenzlauer Zeitung, 17. November 2005 von Monika Strehlow.

Schon die Überschrift – Windfeld „Wolfsmoor“ genehmigt – ist reine Desinformation! Darum ging es an diesem Abend gar nicht. Genehmigende Behörde für die Windfabrik ist das Landesumweltamt Brandenburg. Folge ich der Headline-Logik von Monika Strehlow, hätte die Überschrift auch „Teilwindfeld Trampe nicht genehmigt“ lauten können. Das wäre zwar genauso falsch gewesen, doch immerhin hätten dann die LeserINNEN der Prenzlauer Zeitung etwas über diesen von der Autorin unterschlagenen Tagesordnungspunkt erfahren.

Mit 13 Nein-Stimmen und zwei Enthaltungen haben die Brüssower Stadtverordneten das vom Landeumweltamt beantragte Einvernehmen im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren für fünf Windkraftanlagen in der Gemarkung Trampe versagt. Als Gründe wurden unter anderem der zu geringe Abstand zum Windfeld „Wolfsmoor“ und die völlige Missachtung tierschutzrechtlicher Vorgaben genannt. Hinzu kommt, dass es sich bei diesem Antrag der Enertrag, der die Beteiligung der Bürger der betroffenen Gemeinden ausschließt, um eine Mogelpackung handelt. Gleichzeitig werden nämlich noch sieben weitere Windräder im selben Windeignungsgebiet in den Grenzen der Gemeinde Carmzow-Wallmow durch die Enertrag geplant. Wie fomulierte es doch Windjunker Diwald von der Enertrag in der Prenzlauer Zeitung vom 21.09.2005 griffig und wohl wissend, dass man es in Trampe unkomplizierter handhaben wird: „Die Enertrag AG hätte es unkomplizierter haben können mit ihrem Windfeld bei Wallmow. Trotzdem habe man sich auf einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan eingelassen und eine frühzeitige Beteiligung der Öffentlichkeit ermöglicht.“ Drei Vorkommnisse prägten die Woche vor der Stadtverordnetenversammlung:

1. Ein Schreiben der Kommunalaufsicht an die Stadtverordneten mit der Anmahnung das gemeindliche Einvernehmen endlich zu erteilen, in dem es unter anderem hieß: „Die rechtswidrige Versagung des gemeindlichen Einvernehmens kann allein wegen der dadurch bedingten zeitlichen Verzögerung des immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens zu Schadensersatzansprüchen des Vorhabenträgers gegen die Stadt Brüssow führen. Ich weise vorsorglich darauf hin, dass gemäß § 39 GO jeder einzelne Abgeordnete haftet, wenn er vorsätzlich seine Pflichten zu rechtmäßigem Handeln verletzt.“ Dieser Satz verschaffte die Stadtverordneten sicher ein echtes déjà-vue Erlebnis. Den hatten sie bereits in einem Schreiben des Anwalts Otto, der die Wolfmoorgegner vertritt, gelesen. Damals führte das zu eine Anzeige wegen Nötigung und zu einer Beschwerde bei der Berliner Anwaltskammer.

2. Eine Schreiben des Landesumweltamtes, dass den Stadtverordneten klar machen sollte, wenn ihr das Einvernehmen versagt, dann ersetzten wir es eben. Also seid brav und stimmt zu. Gelebte Demokratie à la Brandenburg.

3. Ein Schlüsselerlebnis des Bestattungsunternehmers und Stadtverordneten Rusin, der den Friedhofsschlüssel, den er seit 14 Jahren verwahrt und für seine Arbeit braucht, wieder abgeben sollte. Grund, er würde das Friedhofstor nie abschließen.

Im Artikel von Frau Strehlow heißt es dazu:“ ... wie die Beschuldigung durch den Abgeordneten Bert Rusin (Die Linke.PDS), dass er sich vom Amtsdirektor unter Druck gesetzt fühlte. Rusins Anschuldigung fand in Abgeordnetenreihen kräftigen Widerspruch.“ Hier hat Monika Strehlow nicht aufgepasst. Bert Rusin schilderte ein Gespräch zwischen Amtsdirektor Neumann und sich, bei dem Herr Neumann einen Zusammenhang zwischen Schlüsselverlust und seiner Schlüsselrolle beim Widerstand in Stadtverordnetenversammlung gegen das Windfeld „Wolfsmoor“ hergestellt haben soll. Amtsdirektor Neumann wies diese Behauptung von Herrn Rusin weit von sich. Da es sich hier um ein Gespräch unter vier Augen handelte, konnte es - außer von Amtsdirektor Neumann - gar keinen kräftigen Widerspruch geben. Allerdings gab es spontanen Beifall bei den anwesenden Einwohnern als Herr Rusin den Amtsdirektor indirekt zum Rücktrit aufforderte. Um die Frage der Schlüsselhoheit gab es allerdings eine kurze Debatte, die damit endete, dass die Mehrheit der Stadtverordneten beschloss, dem Bestattungsunternehmer Rusin den Schlüssel zurückzugeben. Auch davon las ich nichts in der Prenzlauer Zeitung.

Kommen wir nun zu den Fragen, die sich hinter dem Satz „Deutlich wurde in der Diskussion, dass sich Stadtverordnete nicht ausreichend über den Fortgang der Verhandlungen informiert fühlen.“ verbergen: Muss ein Amtsdirektor die Stadtverordneten darüber zügig informieren, wenn ein Bebauungsplan mit Auflagen genehmigt wird? Muss der Bebauungsplan aufgrund der Mängel nicht erneut ausgelegt und abgewogen werden? Handeln die Stadtverordneten eigentlich rechtens, wenn sie trotz unerfüllter Auflagen ihr gemeindliches Einvernehmen erklären?

Bleibt noch zum Schluss die Auflagen und Maßgaben zu nennen, die einen gehörigen Sprengsatz für die Zukunft bieten: Fehlendes Fledermausgutachten; Nachweis der Eigentumsbefugnis für die Flurstücke, die für das Bauvorhaben notwendig sind; Klarstellung des Widerspruchs in Durchführungsvertrag und Satzung zum Bebauungsplanplan, zwischen Text und Zeichnung, laut Regionalplan sind eine Mindestabstand von 800 Metern zur Wohnbebauung einzuhalten; genaue Bestimmung der Leitungswege.(ph)

Nachtrag

Von Herrn Rusin war zu erfahren, dass Amtsdirektor Neumann auch nach dem gefassten Beschluß in der SVV den Friedhofsschlüssel zurückhält und die Sachbearbeiterin für Friedhofsangelegenheiten angewiesen hat, den Schlüssel nicht heraus zu geben. Er hätte 14 Tage Zeit, den Beschluß zu beanstanden und behält sich dieses Recht vor.

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