Hammelstall, 22. Juli 2005 >> Kritik

Der blanke Hohn

Bemerkungen zum Bericht "Enertrag spendet Vereinen 115 000 Euro"; Prenzlauer Zeitung, 20. Juli 2005 von FG.

Am 20. Juli berichtete die Prenzlauer Zeitung über eine Veranstaltung, die anlässlich einer Spendenübergabe der Windenergiefirma Enertrag an Vereine aus der Gemeinde Casekow im Gutshaus von Woltersdorf stattfand.

Der entscheidende Satz in diesem Artikel lautet: „Gegen die Initiative des Unternehmens in diesem Raum machten sich jedoch Windkraftgegner so stark, dass die Gemeinde Casekow genötigt war, vertraglich vereinbarte Leistungen mit dem Investor aufzuheben, hieß es auf der Veranstaltung.“ Mann muss sich das einmal auf der Zunge zergehen lassen, Windkraftgegner sollen in der Lage sein, einen Vertrag zwischen einer Gemeinde und dem Investor aufheben zu lassen. Das klingt zu sehr nach Travis Bickle, das glaube ich einfach nicht.

Ein Blick auf die Webseite des Amtes Garz führt zur Liste der Casekower Gemeindevertreter (http://www.gartz.de/politik/mitglieder.php?gremium=97), darunter oh Wunder ein bekannter Name: Prof. Dr. Dr. Hans-Joachim Mengel, Vorsitzender der Kreistagsfraktion „Rettet die Uckermark“. Damit wäre zumindest das Wort Windkraftgegner mit einem - sogar prominenten - Gesicht gefüllt. Aber was hat Herr Mengel getan und welche „vertraglich vereinbarte Leisungen“ musste die Gemeinde Casekow aufheben? Zwei Fragen, deren Beantwortung dem Artikel von FW etwas Substanz gegeben hätten. Dafür hätte unser unbekanntEr AutorIN ja nur Hans-Joachim Mengel fragen müssen. Vielleicht hätte sich auch ein Anruf bei der Kommunalaufsicht gelohnt. Am einfachsten wäre es gewesen, mit der Bürgermeisterin von Casekow, Donata Oppelt, zu reden, denn die befand sich ja ebenfalls im Gutshaus.

„Windmüllers Land“ hat das nachgeholt, mit Donata Oppelt gesprochen und erfahren, dass tatsächlich drei Zeilen des Vertrages gestrichen worden sind. In diesen drei Zeilen ging es um Ausgleichszahlungen für fünf Windräder, eine Einmalzahlung von 115.000 Euro und um jährliche Zuwendungen in Höhe von 7.500 Euro als Ersatz für ausbleibende Gewerbesteuer. Was Herr Mengel als Gemeinderatsmitglied getan hat, konnte sie ebenfalls schildern. Anfangs war er der Meinung, dass Windenergiefirmen derartige Gelder grundsätzlich nie Zahlen würde. Nachdem er erkennen musste, dass zumindest die Enertrag diese Gelder sehr wohl überweisen wollte, legte er im Gemeinderat dar, dass die Gemeinde aufgrund ihrer enormen Verschuldung rechtlich dazu gezwungen ist, diese Gelder für den Abbau ihrer Schulden zu verwenden. Keinesfalls dürfe die Gemeinde diese Gelder wie geplant für andere ihr wichtige Etatposten nutzen. Ein Gespräch mit der Kommunalaufsicht bestätigte die Argumentation des Professors und machte dem Gemeinderat auch klar, dass man nicht bereit war, hier eine Ausnahme zuzulassen. Im dritten Schritt erklärte Professor Mengel, dass Gerichte derartige Ausgleichszahlungen eines Investors, für die es keine rechtlichen Grundlagen gibt, durchaus als Bestechung werten könnten. Auch hier wurde wieder Rücksprache mit der Kommunalaufsicht genommen. Und nachdem man bei der Kommunalaufsicht erklärt hatte, dass Staatsanwälte und Gerichte diese Zahlungen durchaus so sehen könnten, entschloss sich die Gemeinde die drei Zeilen zu streichen.

Ein komplizierter Vorgang, der von FW griffig – und jetzt vereinfache ich – auf „Windkraftgegner nötigen Gemeinderat“ reduziert wurde. Für mich gleicht solch ein Satz einer Verhöhnung von ehrenamtlichen Gemeinderatsmitgliedern, die sich neben ihrer Berufstätigkeit intensiv mit einer rechtlich komplexen Materie beschäftigt haben und zu dem Ergebnis gekommen sind, auf angebotene Ausgleichszahlungen eines Investors zu verzichten.

Und noch eine Kleinigkeit FW: Die Veranstaltung fand in einem Gutshaus und nicht in einem Schloß statt. (Peter Huth)

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