Hammelstall 3. Juli 2005 >> Kritik

Als der Bildzeitungsstil nach Brüssow kam oder Kennen Sie "Travis-Bickle-Logik"?

Bemerkungen zur Seite 1 des neusten Flugblattes der "Bürgerinitiative gegen das Windfeld Wolfsmoor", das Ende Juni 2005 verteilt wurde, und das nach äußerungen des Brüssower Amtsdirektors Neumann Tatsachen verdrehe.

Kritisch und polemisch setzt sich die Initiative in diesem Flugblatt mit den Ereignissen der letzten Monate und den Veröffentlichungen dazu in der Presse auseinander und kündigt an, dass sie auch nach der Entscheidung der Brüssower Stadtverordnetenversammlung für die Pläne der Enertrag nicht gewillt ist, den Widerstand aufzugeben.

Lügen

Unter der überschrift "Lügen" zitieren die FlugblattautorINNen zwei Passagen aus zwei Artikeln, die Daniela Windolff am 18.06.2005 unter den Titel "Strafanzeige im Windkraftstreit" und am 10.06.2005 unter der überschrift "Nächtliches Blinken wird verringert" in der "Märkischen Oderzeitung" (MOZ) veröffentlicht hat. Es gibt von ihr zu diesem Thema noch einen dritten Artikel in der MOZ am 19.06.2005 "Windfeld zugestimmt".
"Nach der öffentlichen Auslegung der Pläne gab es nur zwei Einwände." und
"Bei der jüngsten Entscheidung zum Windkraftstandort in Brüssow hatten sich über 60 Prozent der Bürger für das geplante Windfeld ausgesprochen."
In allen drei Artikeln fällt auf, dass sich Daniela Windolff lediglich auf Aussagen von Enertragmitarbeitern beruft. Stichwortgeber für die Artikel von Frau Windolff sind Enertrag Geschäftsführer Werner Diwald und Vorstandsassistent Stefan Wagner, der sich mit der äußerung "Die meisten Forderungen der betroffenen Anwohner konnten erfüllt werden" in der MOZ wiederfindet.

Keine Nachfrage der Kollegin, was gab es denn für Forderungen, welche konnten erfüllt werden, welche nicht? "Windmüllers Land" nennt das Hofberichterstattung. Frau muss ja nicht mit den Windfabrik-Gegnern kuscheln, aber ein Telefonat mit dem Brüssower Amtsdirektor Neumann hätte da sicher einiges ins rechte Licht gerückt. Der hätte seine Aussage gegenüber dem Uckermark Kurier: "Viele Bürger haben ihre berechtigten Sorgen geäußert." sicher gern in Zahlen – 65 Einwendungen - und einige Beispiele gefasst.

Ins Reich der Fantasie gehört die Windolff-Behauptung, dass sich über 60 Prozent der Bürger für das geplante Windfeld ausgesprochen haben. Da es keine Bürgerbefragung zu diesem Thema gab, können sich auch nicht über 60 Prozent der Bürger dafür ausgesprochen haben. Diese typische "Travis-Bickle-Logik" folgt dem Dreisatz Abstimmungsergebnis, 10 zu 6 verhält sich wie 62,5% zu 37,5%: gleich Anteil der Bürger. Bei den letzten Landtagswahlen im September 2004 gab es in Brüssow für den Einzelkandidaten und Windfabrik-Gegner Professor Mengel 20,73 Prozent, was für dessen "Ein-Punkt-Programmatik" schon einen massiven Zuspruch bedeutet.

Bezeichnend für die Meinungsmache in dem Artikel "Strafanzeige im Windkraftstreit" von Daniela Windolff ist die Passage: "Zwischen Pro und Kontra lässt es sich nur mit Kompromissen leben. Die scheinen in Brüssow allerdings ausgedient zu haben. Hier haben die gegensätzlichen Interessen die Stadt geteilt und die Stimmung so verhärtet, dass mittlerweile Heerscharen von Rechtsanwälten beschäftigt werden, ...". Wollte ich polemisch sein, würde ich jetzt schreiben, Frau Windolff kann nicht bis drei zählen. Zwei zusätzliche Anwälte gibt es in diesem Verfahren. Das ist auf Seiten der Windfabrik-Gegner Rechtsanwalt Otto und auf Seiten des Amtes Brüssow Rechtsanwalt Michael.

Mit diesen Zeilen werden in der öffentlichkeit verbreitete Ressentiments gegen Rechtsanwälte bewusst geschührt: Rechtsanwälte wollen doch nur am Streit verdienen und würden sich hinterher im Restaurant beim gemeinsamen Speisen über die Streithähne lustig machen, denen sie gerade das Geld aus der Tasche gezogen haben. So ähnlich jedenfalls klang es aus dem Mund eines Brüssower Stadtverordneten.

Was in dem Artikel nicht erwähnt wird ist eine Beschwerde der Brüssower Stadtverordneten bei der Berliner Anwaltskammer über Rechtsanwalt Otto. Die Stadtverordneten werteten die äußerungen des Anwaltes in einem Schreiben an sie über die persönliche Haftung beim Beschluss eines fehlerhaften Bebauungspans als Nötigung. Rechtsanwalt Otto berief sich in seinem Schreiben unter Anderem auf den § 39 der Kommunalverfassung des Landes Brandenburg vom15. Oktober 1993: Haftung der Gemeindevertreter

Erleidet die Gemeinde infolge eines Beschlusses der Gemeindevertretung einen Schaden, so haften die Gemeindevertreter, wenn sie vorsätzlich
a)ihre Pflicht verletzt haben,
b)gegen ein Mitwirkungsverbot nach § 28 (Ausschließungsgründe) verstoßen haben oder
c)der Bewilligung von Ausgaben zugestimmt haben, für die das Gesetz oder die Haushaltssatzung eine Ermächtigung nicht vorsieht, wenn nicht gleichzeitig die erforderlichen Deckungsmittel bereitgestellt werden.

Das Antwortschreiben der Anwaltskammer vom 13.April 2005 an die "Sehr geehrte Frau Bürgermeisterin Müllenhagen" beginnt mit dem klaren Satz: "Die Beschwerde ist unbegründet." Bis Ende Juni hatte diese Antwortschreiben die sich beschwerenden Stadtverordneten immer noch nicht erreicht. Was die Brüssower Stadtverordneten von einer dertigen Informationspolitik halten, lässt sich der Meldung "Aufregung um Flugblatt" in der linken Spalte entnehmen.

Geld und Blindheit

Unter den überschriften "Geld" und "Blindheit" schreiben die FlugblattautorINNen unter anderem: " In einem Gestattungsvertrag werden Einmalzahlungen von ca: 25000 € je Windrad versprochen. " Und "Die Kommunalaufsicht hat bereits (für Casekow im April 2005) entschieden, Windgeld darf nicht für Projekte ausgegeben werden, die in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit dem Windfeld stehen. Genau das aber steht im Fusionsvertrag der Gemeinde Brüssow. "

Der Entschädigungs- und Gestattungsvertrag wurde im nichtöffentlichen Teil der SV-Versammlung am 28. Juni 2005 abschließend verhandelt. Zumindest enthielt die Tagesordnung eine Beschlussvorlage zu diesem Thema. Der Vertragsentwurf liegt "Windmüllers Land" nicht vor. Die Höhe der Zahlungen kann also erst einmal nicht verifiziert werden. Allerdings ist der Stadtverordnete Torsten Wolff anlässlich einer Einwohnerversammlung zum Thema Windfabrik "Wolfsmoor" im "Uckermark Kurier" vom 19.11.2004 mit folgender Aussage zitiert worden: "Mit dem Geld – allein 500 000 Euro leistet der Investor an Ausgleichszahlungen, ab dem sechsten oder siebenten Jahr fließt Gewerbesteuer – bekomme die Kommune wieder mehr Handlungs- und Gestaltungsspielraum." Diese Aussage deutet darauf hin, dass die Einmalzahlungen Teil des Vertrages sind.

Aus gut unterrichteten Kreisen war zu hören, dass dem Entschädigungs- und Gestattungsvertrag bei leichten änderungen die Bonität möglicher Käufer betreffend mit 10 zu 4 Stimmen zugestimmt und Amtsdirektor Neumann beauftragt worden ist, den Vertrag zu unterzeichnen. Das obwohl Werner Diwald - bei der Enertrag für Systemtechnik und Projektentwicklung zuständig - in dieser Sitzung bestätigt hat, dass ein ähnlicher Vertrag von der Gemeinde Caselow gerade gekündigt worden ist, weil die Kommunalaufsicht diesen Vertrag wegen Unrechtmäßigkeit der Zahlungen kritisiert hatte.

Interessant in diesem Zusammenhang ist eine Passage aus einem Artikel der "Potsdamer Neuesten Nachrichten" "Auf dem schmutzigen Weg zur sauberen Energie", der sich mit Korruptions- und Bestechungsvorwürfen beim Windanlagenbau beschäftigt, die bereits zu zahlreichen Hausdurchsuchungen geführt hatten: "Außerdem sollen der Gemeinde so genannte Ausgleichszahlungen von mehr als 10000 Euro je Windrad und Jahr – mehr als 100000 Euro jährlich – angeboten worden sein, wenn der Windpark errichtet werde. Warum diese "Ausgleichszahlungen" angeboten wurden, war unklar, da es keine gesetzliche Verpflichtung dazu gibt." (Peter Huth)

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